Wir stehen heute über Nacht auf dem Gelände eines agrotouristischen Betriebes, zu dem ein Restaurant und ein Hofladen gehören. Ein Mitarbeiter nimmt sich Zeit und zeigt uns den Hof. Er führt uns durch die Produktionsstätten, die zu der Zeit der Diktatur Enver Hoxhas ein Gefängnis für Regimegegner waren. Die Geschichten, die er uns erzählt, vergegenwärtigen uns nochmal auf sehr eindrucksvolle Weise, was für ein dunkles Kapitel Albanien bis 1991 durchlebte. Gleichzeitig spürt man an Orten wie diesen die Energie dieser jungen Demokratie und die Hoffnung auf eine europäische Zukunft.
Europatour 2021
Unser Kellner am gestrigen Abend hat uns seine Heimatstadt Berat so überzeugend ans Herz gelegt, dass wir spontan entschieden haben, doch noch einen Abstecher dorthin zu machen. Wir haben es nicht bereut! Uns erwartet eine wunderschöne, mittelalterliche Stadt, deren osmanische und byzantinische Wurzeln überall präsent sind.
Knoblauch – sicher ist sicher
Wir begegnen zufällig dem Hausmeister der Moschee und erhalten eine spontane Führung durch die sunnitische Königsmoschee und die gegenüberliegende schiitische Halveti-Tekke. Er betont, dass hier in Albanien Christen und Muslime friedlich miteinander leben. Auch eine Heirat unter Pärchen mit unterschiedlichem religiösen Hintergrund sei nicht selten.
Wir dürfen sogar hinauf ins Minarett klettern und haben von dort aus einen tollen Ausblick auf die Stadt.
Danach geht’s hinauf zur Burgfestung. Und auch hier werden wir wieder angesprochen von einem sehr netten Einheimischen, der in dem Burgviertel wohnt. Die Welt kann so klein sein: der Mann hat Freunde in Herne und spricht etwas deutsch. Er erzählt uns, dass die Häuser innerhalb der Festungsmauern immer noch von ca. 200 Familien bewohnt werden. Es waren einmal viel mehr, doch da es keinerlei staatliche Unterstützung bei der Sanierung der Häuser gibt sind viele bereits weggezogen.
Als wir zu unserem Wohnmobil zurückkehren steht auf unserer Treppe ein netter Willkommensgruß vom Campingplatzbetreiber, ein Teller mit Äpfeln und Orangen. Wir sind sehr angetan von der unglaublichen Gastfreundschaft in diesem Land!
Heute hat es den ganzen Tag wie aus Kübeln geschüttet. Zwischenzeitlich war die Sicht so bescheiden, dass man nicht mit Bestimmtheit hätte sagen können, ob man gerade durch Albanien oder durchs Sauerland fährt. Ein kurzer Zwischenstopp an einer alten Burgruine in strömendem Regen ist auch nicht gerade die Erleuchtung. Die alten Festungsmauern sind zwar noch erhalten, stehen aber offenbar nicht unter Denkmalschutz. Einige haben es sich einfach gemacht und ihr Eigenheim direkt an das alte Mauerwerk angebaut.
Umso positiver sind wir überrascht, als wir an unserer nächsten Station ankommen. Ein Restaurant, wo man als Camper umsonst über Nacht stehen darf und auch noch gratis Strom, WLAN und Duschmöglichkeiten hat. Wir staunen über die große, sehr moderne und gepflegte Anlage, die so sehr in Kontrast zu den vielen Schmuddelecken steht, die wir heute durch den Regenschleier erahnen konnten. Der Empfang ist ausgesprochen herzlich und wir genießen ein wunderbares traditionell albanisches Abendessen zu einem unglaublich kleinen Preis. Im Raum nebenan feiert eine albanische Familie den ersten Geburtstag des Sohnemannes in einer Größenordnung, die wir kaum glauben können. Wir schauen eine Weile dem regen Treiben mit traditioneller Musik und Kreistänzen zu und stellen uns vor, wie es wohl wäre, wenn bei uns zuhause an einem Geburtstag alle zusammen um den Tisch tanzen würden. Klara und Jule sind jedenfalls dafür, dass wir das demnächst unbedingt mal ausprobieren sollten!
Die Landschildkröte auf dem Campingplatz, ein wohl gut gemeintes Geschenk eines Gastes, soll wieder in die Wildnis zurück. So darf sie ein Stück mit uns mitfahren und wir halten in den Bergen, um sie dort wieder auszuwildern.
Danach geht es nach Gjirokastra, eine der ältesten Städte des Landes und wichtiges kulturelles Zentrum Südalbaniens. Seit 2005 zählt sie zum UNESCO Welterbe. Schon der Weg dorthin durch die Berge ist wunderschön. Gjirokastras Altstadt hat Charme und sehr schöne Ecken. Nur der Müll und die unzähligen Bauruinen trüben das malerische Bild.
Es ist gerade so nett hier, dass wir noch einen Tag verlängern.
Weihnachtsbäckerei
Der Grenzübertritt nach Albanien erweist sich als unkompliziert. Leider empfängt uns unser 14. Reiseland mit Dauerregen.
Nach einer spektakulären Überfahrt auf die Halbinsel Ksamil, bei der wir zwischenzeitlich die Befürchtung hatten, dass das wankende Fährfloß unser liebgewonnenes Wohnmobil jeden Moment dem Ionischen Meer übergeben könnte, sind wir ziemlich froh, unseren Campingplatz zu erreichen. Dort erwarten uns schon die Besitzer, ein sehr nettes albanisches Lehrerpaar, die sich mit dem kleinen Campingplatz auf ihrem Privatgrundstück etwas dazuverdienen.
Da es kaum geöffnete Campingplätze oder Stellplätze zu dieser Jahreszeit gibt, sind wir nicht die Einzigen und finden uns abends in netter Runde mit zwei weiteren langzeitreisenden Pärchen und Tochter wieder. Jule freut sich sehr über eine fast gleichaltrige Spielpartnerin, die auch noch die gleiche Sprache spricht.
In diesem Städtchen haben wir eigentlich nur angehalten, da wir für Klara einen Antigentest für den Grenzübergang nach Albanien benötigen. Als wir das kleine Testzentrum dann endlich ausfindig machen, erwartet uns dort ein Mann in blauem Medizinerkittel, der neben seinen Testutensilien schon ein halbleeres Bier und daneben ein Pinnchen ganz unverblümt auf dem Schreibtisch stehen hat. Beim Einführen des Teststäbchens in die Nase erweist er sich zum Glück noch als treffsicher, beim Abtippen der Reisepassdaten doppelt er dann allerdings die ersten beiden Buchstaben und flucht leise vor sich hin, als er das Testergebnis erneut ausdrucken muss.
Nach einem Bummel durch Patras geht es für uns noch ca. 1,5 Autostunden weiter gen Norden. Neben unserem heutigen Übernachtungsplatz gibt es eine kleine Taverne, die zu dieser Jahreszeit nur noch spontan öffnet, wenn es Camper hierhin verschlagen hat. Zu Essen gibt es hauptsächlich, was der Chef morgens gefangen hat. Es schmeckt phantastisch! Wir kommen mit den Restaurantbetreibern ins Gespräch und kaufen Ihnen auch gleich noch Olivenöl aus eigener Ernte ab.
Nicht weit von unserem Übernachtungsplatz entfernt sind die Loutraki Waterfalls. Dort drehen wir unsere Morgenrunde mit Miro, bevor wir durch Korinth und dann weiter Richtung Patmos fahren.